Samstag, 23. Februar 2008

Ein Klon Gottes singt, Band 1 und Band 2, Gedichte und Geschichten - Leseprobe

Schutzengel


Trugest du eine Lilie in der Hand!

Hundert Tage währte ihr Duft.
Aber dein Antlitz schlug Wurzeln in
meinem Herzen und spann
Goldfäden in meinem Inneren.

Du trugst mich über
den Schmerz hinweg, Kindheitsengel
und Frühgeliebter.
O bleibe auch heute, du

zärtlicher Duft früher Jahre.




Der Himmel ist blau

Auf deinem Arm gibt es eine Tätowierung. 376D. Du bist schon sehr alt und rufst in der Nacht nach deiner Mutter. Du kannst nicht sterben, wenn du auch möchtest. Immer laufen sie vorbei, diese armseligen Gestalten, diese Juden, diese Zigeuner, dieses Pack aus dem Osten. Große Augen haben sie, riesige Schädel. Und sie schreien.
Nein, sie sind nicht tot wie du dachtest. Sie haben sich zusammengerottet. Deine Seele wollen sie abfangen und in den großen Kessel werfen. Du weißt, sie können es. Der Kessel ist heiß und voller Fett. Menschenfett. Darin wollen sie dich braten, dich der du so viel Macht hattest über sie.
Damals stieg der Rauch zum Himmel. Rauch aus Menschenhaar und Frauenblut. Rauch aus Knochenleim und Kinderangst. Aber du hattest deine Ohren verstopft und spieltest Bach auf der Trompete. Du wolltest die Welt von Ungeziefer befreien, jawoll. Die Schönheit der Deutschen preisen. Und jetzt?
Dein Penis ist schlaff, dein Darm versottet, deine Augen verquollen vor Angst. „Lasst mich in Ruhe!“ schreist du und beißt in dein Kissen.
Aber der blaue Himmel entlässt keine Engel mehr. Der blaue Himmel ist überdeckt von deiner Schuld. Gott sei dir gnädig!




Ostern Gestern

Die löchrigen Straßen des Gestern.
Die klagende Dämmerung der Amseln.
Noch von Eis umkrustet der Morgen.
Wolkenweiß dein Gesicht.

Trockne Spinngewebe über der Sonne.
Aufgerissene Räderspuren der Felder.
Laut und schrill der Katzen Gebete.
Aus dem Dunkel schon keimend die Saat.

Heimkommen aus Gras und Nebel.
Den Frühling in frostroten Händen
bringst du der Jahre Bedrängnis
zärtlich dem Feuer von Ostern.

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